Wahlheim stellt sich vor

Von Dr. Heiner Bus und Arno Schröder (aus dem Heimatjahrbuch 2016)

Wahlheim ist eine der vier Gemeinden des Kettenheimer Grundes, die sich vor  allem durch die Nähe zur „heimlichen Hauptstadt Rheinhessens" und die gute Anbindung per Schiene und Straße an die Ballungsgebiete Rhein-Main und  Rhein-Neckar sowie an die Nordpfalz mit dem Erholungsgebiet Donnersberg zu  einem beliebten Wohngebiet entwickelt hat. Auch wenn schon seit 45 Jahren die  schulische Versorgung nicht mehr vor Ort (jetzt Grundschule in Flomborn und  Realschule Plus in Flomborn/Flörsheim-Dalsheim) stattfindet, so liefert u.a. die seit 1994 mit großem Engagement und hoher Kompetenz geführte viergruppige Kindertagesstätte mit Krippengruppe als zentrale Einrichtung der vier Gemeinden besonders jungen Familien ein gutes Argument für den Zuzug. Wahlheim selbst bietet durch seine ruhige Tallage am Weidasserbach und sein  reges Vereinsleben „Alt"- und Neubürgern Gelegenheiten zur Selbstentfaltung und aktiven Teilnahme am Ortsgeschehen.

Wahlheim

Einige seiner Vorzüge wurden offenbar schon sehr früh erkannt. Dies beweisen Bodenfunde aus keltischer Zeit sowie die Überreste eines römischen Gutshofes. Sicherlich waren die Nähe des Alzeyer Römerkastells sowie der bedeutenden Straße Mainz-Metz Gründe für solche Ansiedlungen. Die Entdeckung eines fränkischen Frauengrabes mit reichen Beigaben aus der Merowingerzeit neben der ev. Kirche (1750 auf dem Standort einer dem hl. Martin geweihten Kiapelle erbaut) im Jahr 1939 bestätigte dies.¹

Da aus dieser frühen Zeit keine anderen Belege überliefert sind, müssen wir, wie viele Orte im Umland, auf Urkunden des Lorscher Codex bzw. des Reichsurbars zurückgreifen, um den Zeitpunkt der schriftlich bezeugten Existenz unseres Ortes zu ermitteln. Die in Schenkungen eines Theuthard (766), Nortberad (778) und eines weiteren namentlich nicht genannten Gönners (zwischen 830 und 850)² mit der Ortsbezeichnung Walaheim oder Waleheim im pagus Wormaciensis (Wormsgau) können sich laut Erläuterungen in der deutschen Übersetzung des Codex auch auf Hangen-Wahlheim oder den Wahlheimer Hof beziehen.³ Deshalb steht es eigentlich der Gemeinde frei, ihr 1250-jähriges Jubiläum an mehr als einem Termin zu feiern, da wir gerne annehmen, dass die Wahlheimer des 8. und 9. Jahrhunderts --wenn auch etwas später-- ebenso schenkungsfreudig waren wie ihre Nachbarn in Esselborn und Freimersheim, die sich beide auf Lorscher Urkunden von 763 berufen.⁴

Diese unsichere historische Beweislage setzt sich bis Anfang des 19. Jahrhunderts fort. Dann dokumentiert in den wenigen noch in der Gemeinde und dem Archiv der VG Alzey-Land vorhandenen Unterlagen eine napoleonische Rekrutierungsliste von 1817 die Kriegsteilnahme Wahlheimer Bürger. Mehrere Personenregister und Grundstückskataster geben punktuell Hinweise auf Einwohner, ihre Berufe und Besitzverhältnisse.

Über die Zeit davor finden sich einzelne Einträge zu Wahlheim, etwa in den Aufzeichnungen des Oberamtes Alzey, welche belegen, dass der Kettenheimer Grund gutes Ackerland für eine einträgliche Landwirtschaft bereithielt. Aus diesen Unterlagen kennen wir die Klostergüter von Weidass (Dautenhein), St. Johann (Alzey) und Sion (Mauchenheim) sowie das Pfarrgut Wahlheim. Adlige Güter besaßen die Löwensteiner und die Mainzer Familie von Floss. Weidasserbach wurden mehrere Mühlen betrieben, u.a. eine sog. Erbbestandsmühle des Deutschen Ordens.

Aus einem Erlass des pfälzischen Kurfürsten aus dem Jahr 1525 geht hervor, dass sich einige Bauern aus Wahlheim, Kettenheim und Freimersheim, die der Burggraf von Alzey zum Kampf gegen die für mehr Freiheiten und Rechte revoltierenden Bauern rekrutiert hatte, vor dem Städtchen Pfeddersheim mit ihren Standesgenossen verbrüderten. Nach der vernichtenden Niederlage des Bauernheeres erhielt der Burggraf Diether von Schönberg den Befehl, die namentlich aufgeführten Deserteure strengstens zu bestrafen.⁵ Insgesamt ist festzuhalten, dass Wahlheim in Mittelalter und Neuzeit mit seiner Umgebung das Schicksal der Burg Alzey, seit 1663 der kurpfälzischen Randgebiete, von 1792 bis 1814 des Departement du Mont-Tonnerre und von 1815 bis 1946 der Provinz Rheinhessen im Herzogtum Hessen-Darmstadt teilte. Seit 1837 ist Wahlheim eine eigenständige Ortsgemeinde (vorher in Verwaltungseinheit mit Freimersheim). Von diesem Zeitpunkt an sind die Ratsprotokolle bis zum Jahr 1934 vollständig erhalten.

Wahlheim ist der Geburtsort des bedeutenden Landschafts-, Portrait- und Historienmalers Jakob Wick (1834-1912), der in München, Antwerpen, Frankfurt am Main und Darmstadt mit verschiedenen Künstlergruppierungen zusammengearbeitet hat.⁶

Die Wiederbelebung der früheren Römerstraße als Kaiser- oder Pariserstraße im Jahr 1811 war die erste von mehreren Maßnahmen, die Wahlheim und die anderen Gemeinden des Kettenheimer Grundes mit der „großen Welt" verbanden. 1871-72 erhielt es im Zuge des Baus der Donnersbergbahn zwischen Alzey und Kirchheimbolanden einen eigenen Bahnhof, der fast 100 Jahre in Betrieb war. Nach seiner Stilllegung für den Personenverkehr im Jahr 1951 wurde der Betrieb 1999 wiederaufgenommen und wird heute vor allem für den Schülerverkehr nach Alzey und von Berufspendlern in das Rhein-Main-Gebiet genutzt. Die Anbindung an die A 63 hatte 1981 bereits die Verkehrssituation im Kettenheimer Grund wesentlich verbessert.

Im Ort sind nur wenige Gewerbebetriebe ansässig. Die Zahl der landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebe hat sich auf einen Ackerbaubetrieb, zwei Weinbaubetriebe und drei Gemischtbetriebe reduziert. Neben Zuckerrüben, Getreide und Raps wird auf ca. 50 ha Wein in der Einzellage „Wahlheimer Schelmen" angebaut. Die fünf Mühlen am Weidasserbach⁷ sind schon seit mehr als einem halben Jahrhundert außer Betrieb.

Brunnen

Wie in vielen kleinen Gemeinden im Alzeyer Land mit geringen Gewerbesteuereinnahmen sind die Mittel für größere Investitionen sehr beschränkt, auch weil die Gemeinde den Straßenbau und den Bau der Kindertagesstätte (1994) mit einer Krippengruppe (seit 2010) mit den Nachbargemeinden weitgehend aus den damals noch vorhandenen Eigenmitteln und über Kredite finanzieren musste. Kleinere Maßnahmen wie die Restaurierung des 20-röhrigen Blicken- oder Brückenbrunnens (1992) wurden noch vor dem Kanal- und Straßenbau (2008 abgeschlossen) durchgeführt. 

Andere die Lebensqualität erhöhende Projekte wie die gelungene Renaturierung des Weidasserbaches zwischen Wahlheim und Freimersheim wurden mit Mitteln des Landes Rheinland-Pfalz und der Verbandsgemeinde Alzey-Land verwirklicht. In diesen Tagen freuen sich die Wahlheimer Bürger auf den lang ersehnten Bau eines Fuß- und Radweges nach Kettenheim im Rahmen des Radewegekonzeptes der Verbandsgemeinde. Eine Erweiterung des Neubaugebietes „Unterm Ort" wird derzeit vorbereitet. Der Gemeinderat hat --nicht zuletzt durch die wohlüberlegte schrittweise Vergrößerung seiner bebauten Fläche in überschaubarem Format-- das harmonische Miteinander seiner derzeit 612 Bürger unterstützt.⁸

In diesen Tagen steht Wahlheim vor einer großen Aufgabe: Das oben angesprochene „rege Vereinsleben" ist nicht so sehr durch den überall zu beobachtenden Rückgang der langjährigen Vereinstreue und des ehrenamtlichen Engagements gefährdet sondern ganz konkret durch den massiven Sanierungsbedarf der im Eigentum des Turnvereins 1896 befindlichen Turnhalle, die seit 1928 in die Jahre gekommen ist. Sie ist der unersetzliche Mittelpunkt sowohl für die vom Verein angebotenen lokal und überörtlich in Anspruch genommenen vielfältigen sportlichen Aktivitäten für alle Altersklassen als auch für kulturelle Veranstaltungen aller Art, mit denen u.a. die beträchtlichen Unterhaltungskosten dieses Gebäudes weitgehend erwirtschaftet werden müssen. Es ist schon heute unbestreitbar, dass eine Sanierung, die beide Nutzungen wieder zulässt, die finanziellen Möglichkeiten des Vereins bei Weitem übersteigt. Angesichts der wichtigen Funktion dieser Örtlichkeit für das Gemeindeleben stellt dies somit auch eine Herausforderung für die Ortsgemeinde dar, die wie oben mehrfach erwähnt, ebenfalls „knapp bei Kasse" ist.

Der Turnverein und die Ortsgemeinde werden auch für dieses Problem gemeinsam eine Lösung finden. Diese Gewissheit gründet sich auf die über Jahre hinweg stetigen positiven Veränderungen in Wahlheim. We der pfälzisch-kurfürstliche Historiker Johann Goswin Widder gegen Ende des 18. Jahrhunderts unsere Gemeinde lediglich als „Ein geringes Dorf von 33 Häusern...811 Morgen Aecker, 13 M Wiesen, und 5 M Gärten" beschreibt,⁹ so kann man heute mit gutem Recht sagen, dass sich Wahlheim seitdem zu einer Gemeinde mit beachtlichen Wohn- und Lebensqualitäten entwickelt hat.


¹ Karin Tanke. „Beobachtungen zum fränkischen Frauengrab in Wahlheim." Alzeyer Geschichtsblätter 26 (1992): 85-99. Ein Großteil der Funde ist heute im Alzeyer Museum ausgestellt.
² Urkunden 1277, 1278 und 3671 im Lorscher Codex bzw. Reichsurbar.
³ Allerdings führt sich Hangen-Wahlheim selbst auf „Walaheimberge" aus einer Lorscher Urkunde von 768 zurück. Und laut Homepage von Hahnheim wird der vorgelagerte Wahlheimer Hof erstmals im 10. Jahrhundert erwähnt und für diesen Ortsteil —anders als für Hahnheim selbst und seine Lorscher Schenkung von 764- eine enge Verbindung zum Zisterzienserkloster Eberbach im Rheingau —und nicht zu Lorsch- beschrieben.
⁴ Das Internetportal „regionalgeschichte.Net" legt sich z.B. auf die Urkunde von 778 fest.
⁵ Siehe Wilhelm Martin Becker. „Nach der Bauernschlacht bei Pfeddersheim 1525." Hessische Chronik: Monatsschrift für Familien- und Ortsgeschichte in Hessen und Hessen-Nassau 20.1-2 (1833): 20-25.
⁶ Siehe Martha Otto. „'Malerei ist kein müßiger Zeitvertreib...' Über das Leben und die Arbeiten des Malers Jakob Wick aus Wahlheim (1834-1912)." Alzeyer Geschichtsblätter 36 (2008): 70-90.
⁷ Schleifmühle, Seilermühle, Ölmühle, Kellermühle und Sandmühle.
⁸ Diese Entwicklung spiegelt sich auch in dem langsamen aber stetigen Anwachsen der Einwohnerzahlen: 1925: 385 Einw.; 1970: 436 Einw.
⁹ Versuch einer vollständigen Geographisch-Historischen Beschreibung der Kurfürstlichen Pfalz am Rheine. Frankfurt und Leipzig. 1786-88. Band III 167-169.